Lautspechergehäuse und Plattenresonanzen
Es
gibt zwei Mechanismen, über die resonante
Plattenschwingungen in Form von Biegewellen an
Lautsprechergehäusen angeregt werden. Diese
Anregungsmechanismen betreffen Gehäuse von Tieftönern,
Tief-/Mitteltönern aber auch reine Mitteltongehäuse:
- Es
findet eine Schwingungsanregung durch die
Wechseldruckamplitude des eingeschlossenen Luftkörpers im
Gehäuse statt. Dabei kann sich der Luftkörper in
unerwünschter Weise resonant verhalten. Dieses resonante Verhalten
wird durch orgelpfeifenartige Resonanzen - stehende Wellen - und
darauf beruhenden komplexeren Schwingungsmoden hervorgerufen. Solche
stehenden Wellen bilden sich aus, wenn z.B.
ganzahlige Vielfache der halben Schallwellenlänge in Luft zwischen
zwei jeweils gegenüberliegende Wände eines quaderförmigen
Gehäuses passen und durch das Lautsprecherchassis an einer
ungünstigen Stelle - einem Ort nahe einem Druckmaximum der
stehenden Welle -
angeregt werden.
- Es findet eine direkte
Schwingungsanregung des Gehäuses durch das Antriebssystem z.B.
eines Tieftonchassis statt, denn die Antriebskraft B x L x I , welche
bei der Beschleunigung der Tieftonmembran wirksam ist,
wirkt mit
umgekehrtem Vorzeichen auch auf das Antriebssystem - den Magneten - und
damit bei üblicher Montageart unvermeidlich auch auf den Korb des
Tieftonchassis. Dieser kann seinerseits Resonanzen ausbilden,
da er in seiner Struktur sowohl nachgiebige als auch Massenkomponenten
aufweist. Bei gedachter
unendlicher Steifigkeit des Lautsprecherkorbes, wird die Antriebskraft
über den Montageflansch des Korbes 1:1 auf die Schallwand des
Lautsprechergehäuses übertragen. Je nach Beschaffenheit des
Lautsprecherkorbes tritt dieser Zustand vor allem im tiefen bis
mittleren Bassbereich ein. Die Umgebung des Schallwandausschnittes
für den Tieftöner kann je nach Größe und
Ausführung der Schallwand eine relativ
biegeweiche Zone des Gehäuses darstellen.
Auch bei
der direkten Form der Schwingungsanregung sind die
resultierenden
Bewegungsamplituden des Lautsprecherkorbes und der
Gehäusewände bei den meisten Frequenzen gering, weil die
Masse des Korbes und des damit verbundenen Magneten mit Polplatte und Polkern sehr viel
höher ist als die Masse der mit gleicher Kraft in
entgegengesetzter Richtung beschleunigten Membran. Es können
jedoch bei bestimmten Frequenzen Resonanzen des aus Korb und
Gehäusewänden gebildeten schwingfähigen Systems angeregt
werden. Tritt ein solcher resonanter Zustand ein, so wachsen die
resultierenden Bewegungsamplituden der Gehäusewände deutlich
an. Es geraten dann potentiell
große Flächen ins Schwingen und können unerwünscht
Schall in die Umgebung des Gehäuses abstrahlen.
Komponenten wie Chassiskorb und Gehäusewände
bilden gemeinsam ein für Körperschall - hier
hauptsächlich für Biegewellen - leitfähiges mechanisches
Netzwerk. Dieses Netzwerk weist typischerweise Eigenfrequenzen
(Resonanzen, Eigenmoden) auf, an denen es zu verstärkter und
unerwünschter Abstrahlung von Schall über die Oberfläche
des Lautsprechergehäuses kommt, wenn keine entgegenwirkenden konstruktiven Maßnahmen getroffen werden.
Anmerkungen zum Luftkörper im LautsprechergehäuseAuch
bei einer gedachten völlig schwingungsfreien
Gehäuseoberfläche und
einer ideal kolbenförmigen Bewegung der Lautsprechermembran
können
Resonanzen des Luftkörpers im Gehäuse in Form der o.g.
Pfeifenresonanzen und komplexeren Eigenmoden angeregt werden. Bei
ungünstiger räumlicher
Verteilung der Druckmaxima stehender Luftschallwellen im Gehäuse
werden diese auch durch die Membran selbst mit abgestrahlt: Die Membran
eines Lautsprechers ist eine sehr schalldurchlässige
Fläche im LS-Gehäuse.
Ebenso
offenkundig ist, das Resonanzen des Luftkörpers potentiell mit
den Plattenschwingungen üblicher Gehäuse
interagieren, d.h. Energie mit diesen austauschen. Es
findet eine Energieübertragung zwischen Luftkörperresonanzen
und Plattenresonanzen statt, welche in beiden Richtungen erfolgen kann.
Resonanzen des Luftkörpers zu vermeiden bzw. stark zu
bedämpen, ist daher gleich aus zwei Gründen sehr angeraten.
Die Bedämpfung des im
Gehäuse eingeschlossenen Luftkörpers trägt also dazu
bei, unerwünschte resonante Schallabstrahlung eines Gehäuses nach außen zu
verringern. Das gilt zumindest für den Frequenzbereich, innerhalb
dessen der Luftkörper selbst aufgrund seiner Abmessungen resonieren kann.
Selbst
wenn
die Resonanzen des eingeschlossenen Luftkörpers so stark
bedämpft werden, daß sie nicht mehr in Erscheinung treten,
bleibt jedoch
- die
Anregung des Gehäuses durch die Wechseldruckamplitude der Luft im
Innern bestehen und es können dadurch weiterhin Plattenresonanzen
angeregt werden.
- die direkte mechanische Anregung des Lautsprechergehäuses durch das Antriebssystem des Lautsprecherchassis bestehen.
Allgemeine Herangehensweise für Lautsprechergehäuse mit geringer unerwünschter SchallabstrahlungAuf
dem Weg zu einem Gehäuse mit "geringer unerwünschter Abstrahlung",
kommt man strategisch u.a. auf ein Gehäuse mit "geringer Schwingungsamplitude
der Wände". Beides ist jedoch nicht zwingend dasselbe:
Wenn
sich bei einer angenommenen Eigenmode die
Gehäuseoberfläche in gegenphasig schwingende
Zonen etwa gleicher Fläche aufteilen würde und die
Ausbreitungsgeschwindigkeit der Biegewellen auf dem Gehäuse
dabei sehr viel kleiner als diejenige von Luftschall wäre, dann
würde das Gehäuse
zwar - mittels Sensoren nachweisbar - in sich schwingen, jedoch nur
relativ wenig Schall in die weitere Umgebung abstrahlen. Das liegt
darin begründet, daß sich Zonen von Überdruck und
Unterdruck der Luft über der Gehäuseoberfläche
ausgleichen könnten, bevor sie als Schall in die weitere Umgebung
des Lautsprechergehäuses abgestrahlt werden.
Dieses
Szenario entspräche anschaulich einer
Art "Weichgummigehäuse" mit sehr langsamer Ausbreitung von
Biegewellen. Ein solches Gehäuse wäre aber als
Tieftongehäuse
für Lautsprecher mangels erforderlicher Steifigkeit untauglich.
Die
Schalldurchlässigkeit von Wänden wird also maßgeblich durch
deren sog.
Koinzidenzfrequenz mitbestimmt. An der Koinzidenzfrequenz
breiten sich Biegewellen auf einer Wand ebenso schnell aus wie Schall
in Luft. In der Nähe dieser Frequenz und darüber können
Biegeschwingungen sehr effizient Schall abstrahlen, was
unerwünscht ist. Somit ist die Strategie für
ein Gehäuse mit geringer akustischer Abstrahlung immer von dem Frequenzbereich
abhängig, für den es eingesetzt werden soll. Ebenso spielen
die gewünschten Abmessungen des Gehäuses selbst eine
entscheidende Rolle.
Das
Auslegungsproblem ist für Gehäuse, welche innerhalb eines
großen
Frequenzbandes betrieben werden sollen, schwieriger zu lösen: Es
muss für jeden konkreten Anwendungsfall ein günstiger "Mix"
aus Steifigkeit, Masse und
Eigendämpfung der Wände des Gehäuses gefunden werden.
Konventionelle Lösungen aus konkreten AnwendungsfällenSubwoofer-Gehäuse betrieben bis z.B. ca. 100Hz:
- Kompakte Bauweise
- hohe Wandstärke
- Verwendung üblicher Materialien (MDF), nötigenfalls Aussteifung
Erwartbares
Resultat: Die Eigenfrequenzen der Wände (die Grundmoden der
Plattenschwingungen) können z.B. bis ca. 200Hz "hochgetrieben"
werden. Die Eigenfrequenzen können bei konsequenter Anwendung
dieser Bauweise damit sogar oberhalb des Übertragungsbereiches
eines typischen Subwoofers zu liegen kommen. Man hätte das Problem
allein über die Steifigkeit der Wände gelöst. Jedoch ist
ohne weitere Dämpfung der Gehäusewände mit
ausgeprägten Eigenresonanzen zu rechnen, welche je nach Anwendung
noch im Übernahmebereich der Frequenzweiche liegen könnten. Vgl. hierzu auch die Bilder unten.
Tief-Mitteltongehäuse betrieben bis ca 2Khz:
Würden
wir das oben beschriebene Subwoofer-Gehäuse jetzt entgegen seiner
Bestimmung
als Tief-/Mitteltongehäuse einsetzen, dann erwartet uns eine
unangenehme Überaschung: Die unerwünschte Abstrahlung im
Tiefbass ist zwar gering (durch die o.g. hohe Steifigkeit der
Wände), aber wir haben die Koinzidenzfrequenz durch hohe
Steifigkeit und gleichzeitig geringe Massebelegung der Wände stark
herabgesetzt: Die Biegewellen breiten sich mit relativ hoher
Geschwindigkeit auf dem Gehäuse aus. Das ist
auch ein
typischer Effekt, wenn lediglich die Wandstärke eines
Gehäuses bei konventionellem Baumaterial erhöht wird, oder
wenn lediglich Versteifungen der Wände eingebaut werden. Auch in
einer Dimension gestreckte Bauformen können ähnlich wie
Versteifungen wirken.
Bei
dieser Herangehensweise dominiert der Zuwachs an Steifigkeit die
"Massebelegung" der
Wände. Dadurch sinkt die Koinzidenzfrequenz und die
Wandresonanzen, welche nun zugleich im Frequenzbereich höher
liegen als in einem unversteiften Gehäuse, werden nun um so
effizienter
abgestrahlt und können sehr störend in Erscheinung treten.
Hier ist "das Rennen" um ein Gehäuse mit
geringer Schallabstrahlung also allein über die Steifigkeit der
Wände nicht mehr zu gewinnen. Mehr noch: Wir müssen einsehen,
daß wir kein breitbandig schwingungsfreies Gehäuse bauen
können und müssen uns stattdessen auf ein Gehäuse mit
möglichst geringer Schallabstrahlung konzentrieren: "Wenn es schon
mitschwingt, soll es wenigstens nicht übermäßig
abstrahlen." Vorhandene Steifigkeit der Wände wäre hier also
durch entsprechende Massebelegung aber auch Eigendämpfung zu
kompensieren. Dadurch würde die Koinzidenzfrequenz nicht
unnötig herabgesetzt und die Massehemmung der Wand für den
Mitteltonbereich erhöht. So kommt man auf Kompositbauweisen aus
mehreren Materialien, mit denen man Strategien verfolgen kann, die sonst im Bereich der Körperschalldämmung
angewendet werden.
Eigenmode eines Subwoofergehäuses als Chladni'sche Klangfigur sichtbar gemachtDie
beiden hier gezeigten Testgehäuse von Subwoofern aus dem Jahr 2008
wurden
gemäß der oben beschriebenen Methode durch kompakte
Größe und Formgebung der Wände so gestaltet, daß
die niedrigsten Eigenmoden des Gehäuses erst im Frequenzbereich
oberhalb 210Hz auftreten. Die Subwoofer sind damit in ihrem
Übertragungsbereich von 30Hz ... 80Hz und dem daran
anschließenden Übernahmebereich der Frequenzweiche frei von
jeglichen Eigenmoden
des Gehäuses oder des darin eingeschlossenen Luftköpers.
Die direkte Abbildung von Knotenlinien schwingender Oberflächen mit dem über 200 Jahre alten Verfahren nach
Ernst Chladni
funktioniert bei Lautsprechergehäusen nur im Bereich der
Grundmoden, wenn dem Lautsprecher sehr hohe Leistung zugeführt
wird und die Frequenz der Mode bereits bekannt ist. Da bei
Sinustönen im oberen Bassbereich der Membranhub relativ gering
ausfällt, ist damit auch die Kühlung der Schwingspule durch
die Ventilationsöffnungen geringer als im Normalbetrieb des
Lautsprechers. Ohne Kontrolle der Leistungszufuhr der Schwingspule
sollte diese Methode daher nicht nachgeahmt werden.
Sensiblere
Verfahren wie Beschleunigungsaufnehmer oder Laser-Vibrometer bieten
bessere Möglichkeiten, auch die Amplituden von Moden höherer
Ordnung quantitativ zu erfassen. Das historische Verfahren ist jedoch
sehr instruktiv und bildet die Knotenlinien auf realen Objekten mit
hoher Umrissschärfe ab.
Bild 1 zeigt die beiden Subwoofergehäuse, welche sich mit der
Stirnseite,
auf der die Tieftonchassis montiert sind, gegenüberstehen. Die
Tieftöner sind daher im Bild nicht zu sehen und hinter der
Trennfuge zwischen beiden Gehäusen verdeckt. Die Tieftöner
werden für den Versuch in Gegenphase
betrieben, so daß direkt von den Membranen kein Schalldruck in
die Umgebung
abgestrahlt wird.Bild 2 zeigt Grieskörnchen, welche auf die Oberseite beider Subwoofergehäuse gestreut wurden.Bild 3 zeigt die Grieskörnchen, nachdem sie manuell etwas auf der Oberfläche verteilt wurden.Bild
4 zeigt das sich ergebende Schwingungsbild, nachdem mittels
Tongenerator die tiefste Eigenmode der gezeigten Gehäuse bei ca.
220Hz angeregt wurde. Dazu wurden beide Tieftöner bei ca. 50%
ihrer
Nennbelastbarkeit betrieben. Das Bild zeigt die Verteilung der
Grieskörnchen als nach ca. 5 Sekunden der Ton abgeschaltet wurde.Bild
5 zeigt die Verteilung der Grieskörnchen nachdem der 220Hz Ton
für weitere ca. 5 Sekunden eingeschaltet wurde. Sichtbar
ist eine Knotenlinie um die Schallwand herum, die in ähnlicher
Form auch auf den Seitenteilen des Gehäuses zu beobachten
wäre. Es handelt sich im Wesentlichen um eine "Glockenmode", bei
der die Schallwand des Gehäuses mit daran montiertem
Lautsprecherkorb - hier unsichtbar hinter der
"Trennfuge" - in Gegenphase zu den anderen Wänden (Boden, Decke,
Seitenwangen) des Gehäuses
schwingt. Die von der Schallwand - der Stirnseite - aus gesehen in die
Tiefe
gestreckte Bauform des Gehäuses
mit sehr kleiner und dadurch biegesteifer Schallwand
ermöglicht
es, diese Glockenmode auf eine Frequenz deutlich oberhalb des
Übertragungsbereiches des Subwoofers zu legen.