Dipol- und Cardioid Subwoofer Module


Motivation einer neuen Architektur

für

Dipol- und Cardioid Subwoofer



© Oliver Mertineit




Konventionelle Basswiedergabe in akustisch kleinen Räumen

In akustisch kleinen Räumen - dazu zählen auch große Wohnräume - ist eine hochwertige Basswiedergabe mit herkömmlichen monopolar abstrahlenden Boxen in stereophoner Konfiguration praktisch nicht zu erreichen. Gleiches gilt für einzelne monopolar abstrahlende Subwoofer.

Die Anforderungen an die Wohnraumakustik unterhalb der Schröderfrequenz des Raums - in typischen Wohnräumen liegt diese Frequenz meist zwischen  100Hz und 200Hz - sind mit dieser herkömmlichen Konfiguration extrem hoch. Eine geeignete Absorbtion in diesem durch Raumresonanzen (Raummoden) geprägten Frequenzbereich ist nur mit erheblichem Aufwand herzustellen. Dieser Aufwand u.a. zur Installation von Tieftonabsorbern übersteigt im Hinblick auf Planung und Platzbedarf in der Praxis die zumutbaren Grenzen für einen Privatkunden. Planung und Ausführung können - wenn überhaupt - nur von spezialisierten Unternehmen erbracht werden, da HiFi- aber auch High-End Handel mit diesen Tätigkeiten in der Regel überfordert sind.

In der Folge wird selbst bei High-End Anlagen meist eine Basswiedergabe im Wohnraum toleriert, die in ihrer Ausgewogenheit und Impulswiedergabe weit unterhalb eines wünschenswerten Qualitätsniveaus liegt. Über die Schwächen von Systemen zur "digitalen Raumkorrektur" mittels Faltung der Impulsantwort im Zeitbereich wurde hier an anderer Stelle bereits berichtet: Der Nutzen solcher Geräte und deren Konfiguration ist nur auf einen eng umgrenzten Hörplatz beschränkt und kann u.a. deshalb das raumakustische Problem nicht lösen, weil nicht an der Ursache - der Interakion zwischen Lautsprechern und Raum - angesetzt wird. Es hat sich jedoch bewährt, moderate Korrekturen mithilfe parametrischer Equalizer durchzuführen, welche auf eine ausgewogene Basswiedergabe innerhalb einer größeren Hörzone abzielen. Dies gilt besonders dann, wenn eine optimale Platzierung von Subwoofern im Raum aus praktischen Gründen nicht möglich ist.

Es existiert keine hochwertige Klangwiedergabe ohne einen ausgewogenen Tieftonbereich, auch wenn dies immer wieder erfolglos versucht wird: Resonante Schwingungszustände des Raums im Tiefton sind nicht nur für die Basswiedergabe selbst qualitätsmindernd, sondern wirken gehörphysiologisch durch Verdeckungseffekte bis weit in den Mitteltonbereich hinein. Eine zu stark durch Raumresonanzen geprägte Basswiedergabe verhindert, daß andere Qualitäten der Gesamtwiedergabe erfahren oder beurteilt werden können. Vieldiskutierte Klangnuancen z.B. zwischen verschiedenen Verstärkern und selbst Kabeln und Zubehör verschwimmen in Anwesenheit einer unausgewogenen Basswiedergabe zu nicht reproduzierbaren Meinungsäußerungen einzelner Hörer.


Dipol- und Cardioid Tieftonsysteme: Die Herausforderung der industriellen Umsetzung

In bestimten Segmenten des High-End Marktes und in der Szene der "kompromisslosen Selbstbauer" hat die Basswiedergabe über Dipol- und Cardioidsysteme sich bereits einen festen Platz erobert. Auch im Studiobereich sind die Vorteile von Systemen mit kontrollierter Richtwirkung im Tieftonbereich bereits seit langem bekannt. Diese Systeme ermöglichen eine ausgewogenere und verminderte Anregung von Raummoden. Sie sind in der Präzision der Basswiedergabe (Modulations Transfer Funktion) besonders unter typischen Wohnraumbedingungen weit überlegen, wenn für richtige Platzierung und Orientierung der bei diesen Systemen vorhandenen Richtwirkung  im Hinblick auf den Tieftonbereich gesorgt wird.

Warum setzen sich diese Systeme bisher nicht allgemein für die Anwendung in Wohnräumen durch ?

Gründe sind neben dem üblichen Festhalten am Althergebrachten vor allem in den gesteigerten Kosten für eine tiefreichende Basswiederabe mit Dipol- und Cardioid Systemen zu suchen sowie einem oft immensen Platzbedarf für Bauformen, welche sich durch die großen - scheinbar benötigten - Membranflächen nicht in das Erscheinungsbild von Wohnräumen integrieren.

Die erreichbaren Wirkungsgrade und Maximalpegel der bisher verfügbaren kompakteren Konstruktionen bleiben weit unterhalb praxisgerechter Grenzen und sind in dieser Hinsicht gegenüber konventionellen monopolar abstrahlenden geschlossenen und Bassreflex-Systemen nicht konkurrenzfähig.

Trotzdem befindet sich der Markt bereits im Umbruch. Dipol- und Cardioidstrahler setzen sich vor allem von den gehobenen Preissegmenten her durch und bedienen vornehmlich ein Publikum, welches bisher noch bereit ist, das raumgreifende Erscheinungsbild solcher Systeme oder - im Falle kompakterer Konstruktionen - ihren erheblichen Bedarf an Verstärkerleistung und geringen Dynamikumfang zu akzeptieren.


Eine neue Architektur kompakter Dipol- und Cardioid Tieftonsysteme

Die hier exemplarisch vorgestellte Architektur ermöglicht sowohl die Ableitung konkreter kundenindividueller Subwooferlösungen für den jeweiligen Wohnraum als auch Architekturlösungen für Hersteller hochwertiger Lautsprechersysteme, welche die Vorteile einer kontrollierten Richtwirkung im Tieftonbereich in eigene Produkte umsetzen möchten. Die neue Konstruktionsweise ermöglicht dabei eine erhebliche Verschiebung bisheriger Grenzen in den leistungsbezogenen Größenrelationen solcher Systeme. Möglich werden dadurch:



Konstruktionsbeispiele und Größenrelationen

Dipol SubwooferDipol Subwoofer

Übertragungsbereich.......26Hz ... 80Hz* 
Abmessungen B x H x T...88 x 34 x 27cm

Kennschalldruck...............86 dB
Max. Schalldruck.............107 dB (57Hz, D=1m) **
Typische Klirrdämpfung....-38 dB
Nominale Impedanz...........4 Ohm

Entwicklungsstand...........Vorführbereit


Extrem kompakter Dipol Subwoofer, unauffällige Platzierung in einer Raumkante möglich.

*   Empfohlener Übertragungsbereich
** Aufstellung in Raumkante

Kardioid WooferCardioid Woofer

Übertragungsbereich.......28Hz ... 400Hz* 
Abmessungen B x H x T...55 x 38 x 27cm

Kennschalldruck...............86 dB
Max. Schalldruck.............101 dB (57Hz, Halbraum, D=1m)
Typische Klirrdämpfung....-37 dB
Nominale Impedanz...........4 Ohm

Entwicklungsstand...........Anfertigung möglich


Extrem kompakter Cardioid Woofer

* Der Übertragungsbereich kann je nach Ausrüstung bis in den Khz Bereich erweitert werden. Es ergeben sich universelle Einsatzmöglichkeiten vom Subwoofer bis hin zu einer 2-Wege Box.

Dies sind nur Beispiele aus einem Kontinuum an Möglichkeiten. Anpassungen im Hinblick auf Wohnraumgröße, spezielle Anforderungen der Inneneinrichtung sowie Modifikationen von Anschluss- und Leistungsdaten sind in großer Vielfalt möglich. Zur Raumanpassung und Integration der Hauptlautsprecher können je nach Anforderung DSP gesteuerte Aktivmodule verschiedener Hersteller eingesetzt werden:
... um einige der bevorzugten Hersteller zu nennen.



Nahfeldmessungen mit reduziertem Raumeinfluss


Dipol Subwoofer Nahfeld Dist 1m 00vs45 Grad Glaettung 1/2 Oktave

Schalldruck Frequenzgang des Dipol Subwoofers im Bereich 20 .. 80Hz in 1m Entfernung,
gemessen auf Achse des Dipols (rot) und unter 45 Grad (blau), Glättung 1/2 Oktave


Dipol Subwoofer Nahfeld Dist 1m 00vs45 Grad Glaettung 1/12 Oktave

Wie oben jedoch Glättung 1/12 Oktave


Selbst der kleine Beispiel-Subwofer zeigt ohne jegliche elektronische Korrektur eine nahezu perfekte Übertragung der beiden untersten Oktaven des menschlichen Hörbereichs. Das aus den weiteren Messungen erkennbare gutmütige Übertragungsverhalten oberhalb des bevorzugten Einsatzbereiches ermöglicht den Einsatz von Filtern mit moderater Flankensteilheit und damit einen völlig bruchlosen Übergang zu den Hauptlautsprechern sowie die Minimierung von Phasendrehungen im Übergangsbereich. Der Subwoofer verhält sich klanglich so, als ob die Hauptlautsprecher die Basswiedergabe bestreiten würden und fällt durch keinerlei hörbare Artefakte auf. Dies kann z.B. durch Kombination mit hochpassgefilterten Model 2 Fullrange Biegewellenwandlern als Hauptlautsprechern demonstriert werden, die selbst keinen Subwoofer benötigen und dadurch einen direkten A/B Vergleich ermöglichen. Für eine höhere Grenzdynamik und verbesserte Raumanpassung ist der Einsatz von zwei Subwoofern und/oder leistungsfähigeren Varianten möglich.



Messungen des Dipol Subwoofers im Hörraum


Frequenzgang Dipol Subwoofer, unterschiedliche Hörplätze

Zwei Schalldruckfrequenzgänge im Raum an unterschiedlichen Hörplätzen mit einem einzelnen Dipol-Subwoofer


Hier ergibt sich selbst mit dem kleinen "Basis" Subwoofer im Raum eine untere Grenzfrequenz von 23Hz. Beide Kurven sind durch Variation des Hörplatzes entstanden, eine Korrektur durch Equalizer fand nicht statt. Der Einfluss von Raummoden ist deutlich erkennbar, jedoch ergibt sich eine ausgewogene Basswiedergabe hier schon mit einem einzelnen Dipol-Subwoofer, der monophon angesteuert wird. Bereits durch den Einsatz eines weiteren Subwoofers kann der Einfluss von Raummoden für verschiedene Hörplätze noch weiter ausbalanciert werden. Die Aufstellungsorte in oder nahe den Raumkanten müssen hierfür jedoch optimiert werden.


Dipol Subwoofer Phasengang, unterschiedliche Hörplätze

Korrespondierende Phasengänge

Die insgesamt flach verlaufende Phasenkennlinie im bevorzugten Übertragungsbereich lässt ein hervorragendes Impulsverhalten erkennen.




Dipol Subwoofer Burst Decay im Hörraum 1m Abstand


Burst Decay

Mit anderer Software gemessen: Burst Decay des linken Subwoofers im Raum ca. 1m Abstand, 45 Grad zur Dipol-Achse. Die Messung ist ohne Zeitfenster ausgewertet und enthält somit den vollen Raumanteil (!) am Messplatz.



Beispiel für eine Raumkompensation durch mehr als einen Dipol Subwoofer

In diesem Beispiel wurden 2 Subwoofer an verschiedenen Positionen im Raum eingesetzt. Die Frequenzgänge der einzelnen Subwoofer an einem bestimmten Hörplatz wurden zunächst einzeln vermessen und dann summiert. Zur Veranschaulichung des Einflusses von Raummoden und deren Kompensation werden hier Diagramme mit zwei unterschiedlichen Glättungen dargestellt.


Raumkompensation 2 Subwoofer Glättung 1/2 Oktave

Zwei Schalldruckfrequenzgänge im Raum an jeweils demselben Hörplatz mit 2 unterschiedlich
platzierten Dipol-Subwoofer
n: Subwoofer 1 (rot), Subwoofer 2 (blau), Summe (grün),
Glättung im 1/2 Oktav Fenster


Raumkompensation 2 Subwoofer Glättung 1/12 Oktave

Wie oben, jedoch Glättung im 1/12 Oktav Fenster

Im Unterschied zu einer behaupteten "digitalen Raumkorrektur" durch Modifikation der Impulsantwort eines einzelnen Subwoofers oder der Stereolautsprecher vermindert diese Methode die Varianz des Schalldruckverlaufs über den gesamten Raum, da die Modenanregung tatsächlich ausgewogener stattfindet. Eine Korrektur durch einen digitalen Signalprozessor (DSP) allein und nur für einen eng umgrenzten Hörplatz kann die Varianz des Schalldruckverlaufs im Gesamtraum nicht verändern: Eine messbare Verbesserung an einem Hörplatz muss daher durch eine entsprechende Verschlechterung an anderen Hörplätzen - auch in unmittelbarer Nähe - erkauft werden, was schon bei Abweichungen von weniger als 0.5m vom "korrigierten" Platz deutlich zutage treten kann.

Die hier gezeigte Methode der Modenkompensation erzielt dagegen Verbesserungen für alle Hörplätze im Raum. Diese Verbesserungen weisen auch eine wesentlich höhere Robustheit gegenüber alltäglichen Veränderungen im Raum auf. Dazu gehören u.a. sich im Raum bewegende Menschen, geöffnete Türen und verschobenes Mobiliar. Obwohl Korrekturen durch parametrische Equalizer hier ebenfalls möglich sind, wurden nur die Subwoofer ohne Korrekturen und ohne Frequenzweiche (Tiefpassfilter) gemessen.



Fazit

Angesichts Kompaktheit, Leistungsfähigkeit und einwandfreier Übertragungseigenschaften der hier vorgestellten Dipol- und Cardioid Subwoofer-Architektur, erscheint die gängige Praxis des Verzichts auf kontrollierte Richtwirkung im Bassbereich als technisch überholt.

Ebenfalls als technisch und klanglich unattraktiv kann der Versuch angesehen werden, mit herkömmlichen Dipol-Folienlautsprechern (Elektrostaten u. Magnetostaten) eine Basswiedergabe für Wohnräume zu gestalten. Dies liegt an den dort ausschließlich für den Tiefbassbereich benötigten übergroßen Membranflächen, die weitere akustische Probleme in anderen Frequenzbereichen nach sich ziehen, sowie an der Notwendigkeit einer optimalen Platzierung von Dipolschallquellen im Tieftonbereich: Optimale Position und Einwinkelung für Tiefton Dipole stimmen meist nicht mit einer guten Platzierung und Ausrichtung eines Dipol Lautsprechers auf den Hörplatz für den Mittel- und Hochtonbereich überein. Dazu müsste der jeweilige Folienlautsprecher über eine sehr gleichmäßige und frequenzunabhängige Richtcharakteristik im Mittel- Hochtonbereich verfügen. Genau das wird aber durch übergroße Membranflächen bei konventionellen Folienlautsprechern verhindert: Es ensteht meist ein unregelmäßiges Rundstrahlverhalten, welches eine exakte Ausrichtung auf den Hörplatz erzwingt.

Die mit Abstand schwächste Lösung ist die Kombination eines Dipol-Flächenstrahlers mit einem monopolar - also ohne Richtwirkung - abstrahlenden Subwoofer. Dies gilt in besonderer Weise, wenn Folienlautsprecher und Woofer/Subwoofer eine räumlich untrennbare Einheit bilden, denn die Raumanregung des Dipols ist von derjenigen eines monopolaren Strahlers  sehr verschieden. Mit solchen Konstruktionen kann einer der Hauptvorteile von Dipol- und Cardioid Lautsprechern, welcher in einer hochwertigen Basswiedergabe mit reduziertem Raumeinfluss zu sehen ist, nicht genutzt werden. Leider ist diese Lösung - wohl aus Gründen geringsten Entwicklungsaufwandes - die gängigste.